Comic: Hipster-Hitler treibt Nazi-Größen in den Wahnsinn - WELT (2025)

Ein Hipster, der in Tel Aviv gut ausgehen will, hat es nie weit. Nur 350 Meter Fußgängerzone liegen zwischen dem angesagten Club "Salon Berlin" und der "Rif Raf Bar", die Ran Oren gehört. Als ich dieses Szeneoriginal 2007 zum ersten Mal traf, stellte man ihn mir – hinter seinem Rücken – als "Adolf" vor.

Diesen Spitznamen trug er nicht wegen des Konzepts seiner Bar, das im Wesentlichen aus Berlin importiert worden war. Sondern wegen seines Haarschnittes, der dem des Diktators bestürzend ähnelte.

45.000 Anhänger auf Facebook

Seit August spukt ein zweiter Hipster-Hitler durch die Szene. Diesmal nicht als Extravaganz des Nachtlebens, sondern als Cartoon-Held unter http://hipsterhitler.com , der auf Facebook mittlerweile mehr als 45.000 Anhänger hat. Millionen haben die dazugehörige Website besucht: Hipsterhitler.com.

Mehr als zwanzig Strips mit dem coolen Führer sind bereits erschienen. Hitler ist darin ein junger Möchtegern, der die anderen Nazi-Größen in den Wahnsinn treibt mit seinen penetranten Versuchen, einzigartig, angesagt und ironisch zu wirken.

So sinnt er in einem Cartoon darüber nach, ob er Polen tatsächlich angreifen soll – schließlich hat das doch schon 1626 jemand getan. In einem anderen Strip taucht er nicht in einem Panzer, sondern mit einem Holland-Fahrrad (komplett mit Einkaufskorb) auf dem Schlachtfeld auf und fährt den entgeisterten Rommel an, er wolle Benzin sparen – man versteht den Witz besser, wenn man weiß, dass Benzin auf englisch "gas" heißt.

Hipster-Hitler spielt mit Ironie

Ebenso verblüffend ist Hitlers Versuch, ein cooles Poster zu entwerfen. Goebbels' Einwand, es handle sich um den Davidstern, also das Symbol des verhassten Judentums, schmettert Hitler souverän ab: Ob Goebbels nicht sähe, dass er den Stern auf den Kopf gestellt habe?

Meist trägt Hitler bei seinen Abenteuern Sprüche-T-Shirts mit Slogans wie "Under Prussia" - was wie "pressure" ("Druck") ausgesprochen wird - oder "I love Juice" - ein Bekenntnis, das im Englischen exakt so klingt wie die Beteuerung, Juden zu lieben.

Um den Humor von Hipster-Hitler angemessen würdigen zu können, muss man wissen, was ein Hipster eigentlich ist. Das wiederum lässt sich gar nicht so leicht erklären, weil sich die Angehörigen dieser Spezies auf so etwas Uncooles wie Selbstdefinitionen nie einlassen würden.

Idee entstand in einem Chat

Hipster sind Menschen, die darauf bestehen, einzigartig, besonders und stets vorne dran sind. Sie sind elitär (weil sie wissen, wohin der Zeitgeist weht), ironisch (weil sie sich vor jeder Festlegung hüten) – und selbstverständlich ungeheuer peinlich, weil sich Menschen mit so viel Distinktionsbedürfnis naturgemäß ständig an der Realität blamieren.

Zu den Lächerlichkeiten ihrer Existenz gehört es, dass man sie, trotz ihrer Hyper-Individualität, sofort identifizieren kann, weil sie so uniform wirken wie, nun ja, Nazis. Sie tragen teure Markenklamotten, die aussehen wie billige Second-Hand-Klamotten, enge Jeans, Old-School-Turnschuhe und oft Brillen mit dickem Rand. Männer wie Frauen stylen sich androgyn mit sportlichem Haarschnitt, gerne asymmetrisch.

Wie kommt man darauf, das mit Hitler in Verbindung zu bringen? Einfach so, sagen die amerikanischen Macher der Cartoons, ein Synchronsprecher und ein Grafikdesigner, die sich nur JC und APK nennen und ansonst anonym bleiben wollen. "Das Projekt entstand aus Spaß, nach einer spontanen Idee bei einem Chat. Wir zeichneten also etwas und bauten eine ganz einfache Seite. Nach 24 Stunden gab es schon 50.000 Besucher, ohne jede Werbung", sagt JC.

Wie mit Hipster Hitler Geld verdient wird

Geld verdienen sie mit den T-Shirts aus den Cartoons. Die beliebtesten sind "I love Juice" und "Save the Panzer". Es gibt kaum Kritik: "Manche schreiben uns, dass sie Juden sind oder Deutsche oder beides, und dass sie viel Spaß mit unseren Comics haben. Einer hat sie sogar seinem Rabbi gezeigt, der nichts einzuwenden hatte." Sie betonen, dass ihr Brachialhumor durchaus Grenzen hat: Den Holocaust wollen sie nie zum Thema eines Comics machen.

Seit ich meinen Freunden von Hipster Hitler erzählte, habe ich viele Israelis zum Lachen gebracht. Die Deutschen zögern dagegen viel mehr. Einige reagierten geschockt oder beschämt. Wir nehmen es lockerer. Im Internet gibt es sogar einen Israeli, der sich als hipper Hitler verkleidet und sich selbst ein T-Shirt gemacht hat: "Juden sind überall" steht da, auf Hebräisch.

Die israelische Tageszeitung "Haaretz" beschäftigte sich kürzlich in einem langen Artikel mit den vielen Parodien des Films "Der Untergang", die im Internet kursieren. Auf Youtube wird immer dieselbe Szene, in der ein wütender Hitler seine Generäle zusammenstaucht, mit neuen Untertiteln versehen – so dass er sich statt über den Fall Berlins etwa über die Mängel des iPads in Rage tobt oder über die Pommes Frites von McDonald's.

Hitler bleibt ein Tabu-Thema

Für den enormen Erfolg dieser Internet-Satiren fand Haaretz diverse Gründe: Sie sind eine gute Provokation, wir haben die Nazis emotional längst verwunden, Hitler ist immer noch ein Tabuthema. Das alles ist ideal für einen Hipster und seine ironisch-gewagten Meinungen.

Es bleibt die Frage, warum ist das witzig, und warum so beliebt? Hitler selbst war vielleicht schon lächerlich und verrückt, und die Cartoons tragen das nun nur in neue Extremlagen. Vielleicht war Hitler für jüngere Generationen auch nie Furcht einflößend, sondern immer bloß eine lächerliche Figur.

Ich selbst erinnere mich nicht daran, dass er uns als Kindern je Angst eingejagt hätte. Angst hatte ich vor einem anderen Adolf, vor Eichmann, und noch heute schüchtert mich manches an Putin mehr ein als der "Führer" es je tat. Ob Angst oder nicht, ein Tabu bleibt Hitler. Und somit ein großartiger Gegenstand für Komik, genau wie alles Verbotene. Hipster-Hitler würde es lieben.

Der Autor ist ein Journalist aus Tel Aviv, er lebt zurzeit als Stipendiat der Herbert Quandt Stiftung in Berlin .

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Author: Dan Stracke

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